Im Mai 2022 übergab Prof. Dr. Fornefeld, die bis 2019 an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln im Departement für Heilpädagogik und Rehabilitation lehrte, ein umfangreiches Teilkonvolut an das Internationale Archiv für Heilpädagogik. Darin befinden sich verschiedenste Materialien und Medien, die nicht nur das eigene berufliche Schaffen dokumentieren, sondern auch die Tätigkeiten ihres Vaters Ernst Preis. Aus den zusammengetragenen Notizen über das Leben und Wirken Ernst Preis entstand der folgende Text.

Ernst Preis wurde 1920 im Landkreis Leitmeritz (Sudetenland) als Sohn eines Lehrers geboren und begann 1938 das Studium der Chemie an der Universität Prag. Ende des Jahres 1939 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen, geriet in Kriegsgefangenschaft und wurde vertrieben.
Von Oktober 1947 bis Oktober 1949 absolvierte er das Studium für das Lehramt an Volksschulen an der Pädagogischen Akademie Essen-Kupferdreh. Seine Abschlussarbeit verfasste er im Bereich des Bildnerischen Gestaltens. Darüber hinaus war er Teil des politischen Arbeitskreises und erwarb die Lehrbefugnis für katholische Religion.

Wenige Monate nach Abschluss des Studiums wurde er Anfang Februar 1950 als außerplanmäßiger Lehrer an eine Schule in Heiligenhaus berufen. Noch im selben Monat heiratete er und wurde im Verlauf der Ehe zweifacher Vater.
Im März 1951 wurde er in NRW in das Beamtenverhältnis berufen. Im September 1953 legte er die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Volksschulen ab und 1954 folgte dann die Verbeamtung auf Lebenszeit.

Ernst Preis bildete sich stetig weiter. Er besuchte das Werkseminar in Düsseldorf (September 1957) und absolvierte die Werklehrerprüfung. Vom Wintersemester 1961 bis zum Sommersemester 1963 studierte er nebenberuflich das Lehramt an Hilfsschulen am Staatlichen Heilpädagogischen Institut an der Pädagogischen Hochschule in Köln. Die Schriftliche Prüfungsarbeit schrieb er über „Die Entwicklung einer Leistungsgruppe von Hilfsschülern – Versuch einer Objektivierung des Gruppengeschehens durch Untersuchung und Beobachtung“.
Bereits während des Studiums nahmen Preis und ein Kollege, der ebenso noch in der Ausbildung war, die Tätigkeit an der Sonderschule Willich auf. Dort wurden in den Anfängen 36 Kinder in zwei Klassenverbänden im Musikzimmer und einer leerstehenden Kellerklasse der Katholischen Knabenschule unterrichtet. Im Zweiten Jahr zog die Schule in den Altbau der Evangelischen Volksschule und wuchs auf 3 Klassen an. Eine weitere Kollegin in Ausbildung kam hinzu. Preis übernahm von Beginn an die Rolle des Schulleiters und die Anleitung des jungen Kollegiums. Im Sommer 1964 folgte die Ernennung zum Lehrer an einer Sonderform der Volksschule und ca. zwei Jahre darauf die Ernennung zum Sonderschulrektor. Diese Funktion hatte er bis zum Herbst 1981 inne.

Ernst Preis an seinem Arbeitstisch


Der Einrichtung lag ein reformpädagogisches Konzept zugrunde und in ihr wurde, wie in einer Art „Arbeitsschule“ üblich, differenziert unterrichtet. Zusätzlich entwickelten Preis und sein Team Arbeitsmaterialien, die Ihren Schüler*innen selbständiges Lernen ermöglichen sollten. Die Entwicklungen wurden durch das Heilpädagogische Institut in Köln wissenschaftlich gestützt und begleitet. Das hohe Engagement und Pensum führten zu einem Zusammenbruch von Ernst Preis. Dennoch begann er nach seiner Genesung damit seine vielversprechende Methode des differenzierten Kursunterrichts an Lehrer*innen in landesweiten Weiterbildungen zu vermitteln und sprach darüber hinaus an Hochschulen und auf Tagungen.

Eines der entwickelten Materialien ist das sogenannte eRKa-Programm, welches sich nun im Archiv befindet. Wie erwähnt stand bei den Materialien im Fokus, dass sie selbständig be- und erarbeitet werden konnten. Es bestand aus Kartensätzen und kleinen Pappschachteln zu verschiedenen Themen.  Die aufeinander aufbauenden Lerninhalte, zunächst für die Bereiche Lesen und Rechnen, orientierten sich am Alter und Leistungsvermögen der Schüler*innen. Dem Selbstlernaspekt entsprechend verfügten die Lernsets Kontrollkarten, anhand derer die Richtigkeit der gefundenen Lösung ersichtlich wurde. Bei Schwierigkeiten mit einer Aufgabe halfen Mitschüler*innen oder Lehrer*innen. Aufgaben auf roten Karten wurden gelöst und die Lösungen der Lehrperson präsentiert. So hatten diese einen Überblick über den Lernentwicklungsstand und konnten ihre Schüler*innen gezielt unterstützen. Für die Lehrkräfte wurden themenspezifische Anleitungshefte entwickelt.

Zu Beginn entstanden die Arbeitsmaterialien in familiärer Heimarbeit. Großeltern und Kinder der Familie Preis waren in der Herstellung involviert. Im Verlauf der Zeit schlossen sich viele Lehrer*innen an und entwickelten das eRKa-Programm zudem weiter. Unter anderem entstanden in den 1970er Jahren die Krefelder Arbeitsmappen für den katholischen Religionsunterricht, die Preis selbst illustrierte. Außerdem entwickelte Preis einen Rechenkasten mit elektrischen Schaltflächen, eine Art Vorstufe des Lerncomputers. Wenn eine Aufgabe korrekt gelöst wurde, leuchtete ein grünes Lämpchen auf.

Aus den Bestrebungen gingen zudem Mitte der 1960er Jahre der „Forschungskreis für neuzeitlichen Unterricht“, wissenschaftlich begleitet durch das Heilpädagogische Institut in Köln, und die Gründung des „Verlags Bildung + Wissen. Verlag für neuzeitlichen Unterricht GmbH“ hervor. Ein eigener Verlag wurde notwendig, um die Nachfrage nach den eRKa-Materialien bedienen zu können.

Das Interesse am Programm ließ in den 1980er Jahren vermutlich in Folge des Ausbaus des Sonderschulwesens und der spezifischen Unterrichtsmethoden nach.

Im November 1990 verstarb Ernst Preis in Viersen.

Cäcilia Eming