Emil E. Kobi Institut für Forschung und Weiterbildung

Das dem Internationalen Archiv für Heilpädagogik angegliederte Emil E. Kobi Institut (im Folgenden EKI) wurde 2015 ins Leben gerufen. Es bildet den wissenschaftlichen Rahmen und den Raum für zukünftige Forschungsaktivitäten unter dem Dach des Internationalen Archivs bezüglich der Auswertung vorhandenen Archivguts und der Publizierung von Forschungsergebnissen zu historischen und aktuellen Fragestellungen auf dem Gebiet der Heilpädagogik.

Darüber hinaus werden über das EKI die fachwissenschaftlichen und fortbildungsbezogenen Aktivitäten im Internationalen Archiv geplant und durchgeführt. Dazu gehören die Veranstaltung von historischen Kolloquien, Symposien zur Geschichte und Gegenwart der internationalen Heil- und Sonderpädagogik sowie die inhaltliche Ausgestaltung der sog. „Projekttage für Studierende“ im Trebnitzer Archiv.

In den sich permanent verändernden heilpädagogischen Handlungsfeldern begleitet das EKI zudem Transformationsprozesse von Einrichtungen und bietet zur Umsetzung von Konzepten und Modellen, sowie zur Erprobung neuer Projekte eine wissenschaftliche Evaluation (Praxisbegleitforschung) an. Aus den Ergebnissen dieser Forschungsprozesse können sich dann weitere Aufgabenstellungen mit diesen Einrichtungen (so z.B. in Bezug auf die Implementation neuer Konzepte) ergeben. Ein ausgeprägter Forschungsbezug, sowie eine konzeptuell-methodische Orientierung zeichnen die Praxisbezüge des EKI aus.

Das EKI speist seine Fachkompetenz aus einem Netzwerk von Hochschulen, Fachschulen und Fachakademien sowie Einrichtungen und Einzelpersönlichkeiten aus dem Feld der Heilpädagogik in Deutschland und dem europäischen Ausland, die dem Trägerverein des Archivs angehören. Es arbeitet eng mit der Europäischen Akademie für Heilpädagogik beim Berufs- und Fachverband Heilpädagogik (BHP) e.V. mit Sitz in Berlin zusammen.

Das EKI betreut die Herausgabe der wissenschaftlichen Schriftenreihe des Internationalen Archivs.

Mit dem Abschluss der Arbeiten zum Ausbau und zur Sanierung des Archivgebäudes am Standort Trebnitz im Sommer 2017 wird das Institut dort verstärkt seine Aufgaben wahrnehmen.

Anfragen richten Sie bitte an das Institut

Internationales Archiv für Heilpädagogik
Emil E. Kobi Institut
Platz der Jugend 4
15374 Müncheberg / OT Trebnitz

oder an das Archiv über die unter „Kontakt“ angegebenen Kommunikationswege.

* 20. April 1935 in Kreuzlingen; † 13. April 2011 in Luzern

Emil Erich Kobi

Emil E. Kobi absolvierte zunächst das Lehrerseminar. Anschließend bildete er sich zum Sonderschullehrer weiter, gefolgt von einem Studium der Pädagogik, Philosophie, Heilpädagogik, Psychologie, Verhaltensbiologie, Religionsgeschichte sowie Psychopathologie an den Universitäten Zürich, Wien und Tübingen. Zu seinen akademischen Lehrern gehörten u.a.  Wilhelm Schohaus, Paul Moor, Fritz Schneeberger, Otto Friedrich Bollnow und Eduard Montalta. Während seiner Studien war er hauptberuflich als klinischer Heilpädagoge in Basel tätig. 1963 promovierte er mit der Arbeit Das Tagträumen bei Kindern und Jugendlichen bei Paul Moor. Anschließend arbeitete Kobi u.a. als Dozent für Psychologie, Pädagogik und Heilpädagogik am Lehrerseminar der Stadt Basel sowie als Dozent und Referent des Verbandes Heilpädagogischer Ausbildungsinstitute der Schweiz. 1971 habilitierte er sich für das Fachgebiet Heilpädagogik an der Universität Basel. In seiner Antrittsvorlesung vom 12. Juni 1972 sagte er über die Heilpädagogik:

„Die Heilpädagogik ist, wie kaum ein Wissenschaftszweig, in ihrem Fortbestand und in ihrer Entwicklung abhängig von der grundsätzlichen Bereitschaft der menschlichen Sozietät, auch dem schwächsten, unrentabelsten und störendsten ihrer Glieder eine Existenzberechtigung zuzubilligen. Damit die Heilpädagogik tatsächlich zu einem tragenden Fundament gelangen kann, dazu reichen wissenschaftliche Methoden und Fakten nicht hin: Was wir benötigen, ist nichts Geringeres, als eine neue, umfassende Wahrheit vom Menschen, eine neue Ethik und Ästhetik, in der auch das Unverständliche, das Abtrünnige, das Unveränderbar-Unpässliche und absurde ausgehalten, gehalten und erhalten wird.“

Bis zu seiner Emeritierung im September 1999 leitete Kobi das Institut für Spezielle Pädagogik und Psychologie der Universität Basel. Eine bedeutende Rolle spielten die Heilpädagogische Früherziehung, Integration, die Heilpädagogische Diagnostik und motorische Ausbildung. Kobis spezielle Interessen- und Forschungsgebiete waren vor allen anthropologische und interkulturelle heilpädagogische Fragestellungen.

Neben seiner universitären Tätigkeit war Kobi noch wissenschaftlicher Berater sowie Dozent am Institut für Lerntherapie. Zudem veröffentlichte er zahlreiche Monographien und Fachzeitschriftenbeiträge. Viele seiner Werke fanden grösste wissenschaftliche Beachtung und Resonanz und erreichten sehr hohe Auflagen.

Emil E. Kobi hatte über viele Jahre enge Verbindungen zum deutschen Berufs- und Fachverband Heilpädagogik (BHP) e.V. auf dessen Fachtagungen und Kongressen er ein vielfach angefragter Referent war. Die Idee zur Gründung eines Internationalen heilpädagogischen Archivs hat er von Beginn an unterstützt. Wir danken ihm und seiner Familie für die Überlassung seines gesamten wissenschaftlichen Nachlasses, der sich seit 2012 in unserem Archiv befindet.

Historische Forschung im Emil. E. Kobi Institut in Trebnitz

Auf dem Hintergrund der schon stattfindenden Vernetzung zwischen der Archivarbeit (im Internationalen Archiv für Heilpädagogik) und der historischen Forschung (im Emil. E. Kobi Institut) wird deutlich wie intensiv die Arbeit zwischen Bewahren und Forschen, also zwischen Archivierung und wissenschaftlicher Arbeit mit den archivierten Materialien schon jetzt begründet, bzw. miteinander vernetzt ist. Konkret wird somit in naher Zukunft u.a. eine vertiefte Forschung der Archivarien stattfinden, so dass an den Vor- und Nachlässen der jeweils schon im Archiv eingegangenen Inhalte gearbeitet werden kann und wird. Zudem werden auch weiterhin Nachlässe eingeworben, um mit diesen historisch (kritisch, hermeneutisch etc.) arbeiten zu können.

Relevant ist hierbei das historische Forschungsverständnis: Geschichte stellt sich auf diesem Hintergrund tatsächlich als geschichtet dar. Dieses bedeutet, dass die Prozesse und Inhalte die den Prozessen und Inhalten vorangegangen sind für diese bedeutsam und vielleicht sogar repräsentativ sind. Geschichten bauen aufeinander auf, so dass nicht nur die Forschenden auf den Schultern von Giganten stehen, sondern auch die jeweiligen zu untersuchenden Inhalte ohne vorangegangene Inhalte und Einflussnahmen nicht zu denken sind. Die Bedeutsamkeit der Vorgänge und Inhalte reicht somit bis in die aktuelle Situation hinein, in welcher sie (vielleicht sogar in hohem Maße unbewusst) wirksam wird. Wichtig erscheint auf diesem Hintergrund das narrative, also sozusagen das erzählerische und erzählende Begründungsmoment in diesem Kontext: Geschichte wird (möglicherweise immer wieder einmal anders) erzählt. Dieses Erzählen findet statt in den Auseinandersetzungen mit den fachwissenschaftlichen und literarischen Hinterlassenschaften der jeweiligen Autoren, so wie aber auch mit den Hinweisen aus der jeweiligen Biografie dieser Personen. Dieses kann z.B. bedeuten, dass ein Erkenntnisprozess im Hinblick auf das Gewordensein der Autoren, beziehungsweise ihren theoretischen und methodologischen Positionen in Bezug auf die Heilpädagogik, stattfinden kann. Des Weiteren können z.B. auch die Brief- und Emailwechsel dieser Personen analysiert und in Bezug auf ihre heilpädagogischen Positionierungen untersucht und verglichen werden.

Wesentlich sind hierbei also die handelten, schreibenden und forschenden heilpädagogischen Personen. Dieses bedeutet auch, dass diese Personen, sofern sie noch leben, in den nächsten ein bis zwei Jahren befragt und interviewt werden. Diese Interviews werden von unterschiedlichen Personen mit den aber immer gleichen Fragen durchgeführt, so dass die Inhalte dieser Interviews miteinander verglichen und somit Teil eines komplexen Forschungsprozesses werden können.

Weiterführend ist zudem festzuhalten, dass das Emil E. Kobi Institut eine aufklärende Forschung, eine politische Forschung und eine Forschung an den unterschiedlichsten Grenzen realisieren wird. Das bedeutet konkret, dass sich die Forschung auch mit den eher dunklen und schmerzhaften, vielleicht sogar tabuisierten, Themen im Kontext der heilpädagogischen Geschichte beschäftigen wird (wie dieses z.B. im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Rolle der forschenden Heilpädagogik im 3. Reich, mit ihren möglichen Bezügen zu den Missbrauchsfällen in der Jugendhilfe oder denjenigen der Katholischen Kirche etc. möglich ist und sein muss). Eine historische Forschung in der Heilpädagogik wird sich folglich zudem mit den politisch relevanten Einflussnahmen zwischen den heilpädagogisch bedeutsamen Personen und Positionen einerseits, sowie den jeweiligen politischen und kulturellen Zeitfiguren und Zeitigungen andererseits – und auch dieses bis in die aktuelle Gegenwart hinein – auseinanderzusetzen haben. Eine mögliche Forschung an den Grenzen und über diese hinaus, wird sich ferner mit der Situation der Heilpädagogik in anderen Ländern, bzw. mit den (u.a. forschenden, entwickelnden und professionspolitischen) Bezügen zwischen diesen Ländern zu beschäftigen haben.

Die Ziele einer solchermaßen verstandenen historischen Forschung bestehen somit auch in einer Aufklärung und möglicherweise Aufdeckung und Positionierung bestimmter Positionen der heilpädagogischen Geschichte. Hierzu gehört die Wahrnehmung der damals und auch heute tätigen Persönlichkeiten, genauso wie die Darlegung und Diskussion der Entwicklungsstränge bestimmter theoretischer und methodologischer Prozesse.

Erneut und abschließend kann somit begründet und behauptet werden, dass eine intensive Vernetzung zwischen Archiv- und Institutsarbeit relevant ist und weiterhin bleiben und werden soll. Dieses wird in den nächsten Jahren kontinuierlich weitergeführt und differenziert werden – mit dem Ziel einer möglichst umfassenden Darstellung, Differenzierung, Diskussion und Sinndeutung der heilpädagogischen Geschichte.

Prof. Dr. Heinrich Greving